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Dr. Bertold Ulsamer

Selbstständiger Trainer und Coach

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Interview mit Dr. Bertold Ulsamer

Das richtige Gespür – Führen im Krisenmodus


Herr Dr. Ulsamer, »Wie geht es Ihnen?« ist die meistgestellte Frage unter Menschen. Wie gehe ich als verantwortliche Führungskraft auf einen Mitarbeiter zu, bei dem ein belastendes, kritisches Lebensereignis aufgetreten ist? Was sage ich, um nicht phrasenhaft wirkende Sätze zu äußern?

»Phrasen dienen dem Schutz desjenigen, der sie sagt, damit er sich einer schwierigen Situation gewachsen fühlt. Die Betroffenen hören das Phrasenhafte und akzeptieren es in ihrer Not. Aber es ist keine wirkliche Unterstützung oder ein Trost.
Es gibt keinen Leitfaden für richtige Sätze. Das Gesagte sollte zu mir passen und eine Brücke zum anderen bauen. Das heißt: Ich kann erst in der Situation genau entscheiden, was ich sagen will. Natürlich kann ich mich vorbereiten, aber wer dann seine vorbereiteten Sätze vom Blatt abliest – ich übertreibe hier –, der erreicht den anderen nicht wirklich.
Ein praktischer Vorschlag: Wenn ich etwas Schlimmes höre, erst einmal nichts sagen, eine kleine Pause machen und dem, was ich gehört habe, innerlich Raum geben. Danach kann dann ein einfacher Ausdruck des Mitgefühls kommen wie »Das muss ja schlimm für Sie sein«. Anschließend kann ich dann sehen, ob der Mitarbeiter mehr dazu sagen will – dann hören Sie am besten nur zu – oder ob er lieber zur Tagesordnung übergehen will. In diesem Fall finden Sie vielleicht irgendeine praktische Entlastung für den Mitarbeiter von teilweiser Arbeitsübernahme durch einen Kollegen bis zum früheren Heimgehen usw. Was eben der Situation angemessen ist.

Wer auf einen Mitarbeiter eingehen kann, zeigt Einfühlungsvermögen. Ist diese Eigenschaft erlernbar? Wie gelingt es mir, dass ich nicht als Hobby-Psychologe in eine falsche Rolle rutsche, sondern richtig handle – ohne die eigenen Grenzen zu übertreten?
»Jeder kann sich in einen anderen einfühlen. Führungskräfte tun das ständig mit Mitarbeitern, Kollegen, Vorgesetzten und Kunden. Das Einfühlungsvermögen lässt sich durch Übung vertiefen. Es geht darum, sich in die Lage des anderen hineinzuversetzen. Wie ginge es mir z. B., wenn ich gerade bei einem schweren Unfall mit vielen Toten hätte anhalten müssen? Wie ginge es mir, wenn gestern mein Scheidungstermin gewesen wäre? Eine kleine Ahnung davon wird meistens da sein.
Allerdings können die individuellen Reaktionen ganz unterschiedlich sein. Hobby-Psychologen denken oft, sie wüssten das einzig Richtige. Damit überschreiten sie leicht Grenzen. Als Führungskraft nehme ich mein – natürlich beschränktes und unvollkommenes – Verständnis von der Situation als Grundlage, aber dann schaue ich genau hin, wie dieser Mitarbeiter eine Situation beschreibt und darauf reagiert. Ich kann auch Angebote machen: »Mir ginge es nach einem solchen Unfall nicht gut und ich bräuchte eine Auszeit. Ich weiß nicht, wie das bei Ihnen gerade ist«. Es liegt dann am Mitarbeiter, ob er so etwas annimmt, korrigiert oder einen anderen Vorschlag macht.«

Wie gehe ich mit den Emotionen des Betroffenen um? Welche Hilfestellungen kann ich als Vorgesetzter anbieten, um ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen? Und was braucht der Mitarbeiter von mir als Führungsverantwortlicher am dringendsten?

»Die Emotionen des Betroffenen dürfen erst einmal da sein. Bitte nicht versuchen, irgendeinen banalen Trost zu spenden, das wirkt meistens eher verletzend. Es reicht, wenn die Führungskraft aufmerksam und anteilnehmend zuhört. Was dem Mitarbeiter immer hilft, ist die praktische Entlastung, von der ich schon weiter oben gesprochen habe. Wie z. B. geht die Führungskraft vor einem drohenden Burnout mit dem Mitarbeiter um, wie nach dem Burnout, wenn er wieder seine Arbeit beginnt? Das erlebt der Mitarbeiter als hilfreich und zeigt ihm, dass seine Situation verstanden worden ist.
Der Vorgesetzte ist dabei ein Vorbild für die gesamte Abteilung. Wenn er Verständnis für Krisensituationen aufbringt, dann fängt er an, ein unterstützendes Arbeitsumfeld zu schaffen. Allen Mitarbeitern sollte klar sein, dass sie Ausnahmesituationen mitteilen können.«

Eine Balance zwischen Krisensituation und Arbeitserfüllung zu finden, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für beide Seiten. Was kann ich tun, um als Führungskraft dieser Verantwortung gewachsen zu sein?   
»Auf keinen Fall jetzt als Führungskraft in einen neuen Stress kommen! Krisen sind die Ausnahmen. Und die Führungskraft ist nicht der Fachmann für die Krisen von Mitarbeitern. In Krisen tritt das Arbeitsverhältnis zunächst ein Stück in den Hintergrund. Wenn gerade ein Kollege wegen eines Herzanfalls mit dem Krankenwagen in die Notaufnahme gefahren wurde, dann treten existenzielle Themen in den Vordergrund, die für Mitarbeiter und Führungskräfte gleichermaßen eine Herausforderung sind. Es ist mehr so, dass die Führungskraft in einer solchen Situation für eine kurze Zeit die sonstige Rolle an die Seite stellt und einfach als Mitmensch da ist, wie in der Familie auch. Danach gilt es dann wieder in die eigentliche Rolle zurückzukehren. Eine Führungskraft muss wissen, wie ihr das wieder gelingt. Denn sonst traut sie sich erst gar nicht, die Rolle einen Moment lang aufzugeben.
Balance heißt auch: Es gibt natürliche Grenzen für die Führungskraft. Was ist meine Aufgabe und wo hört sie auf? Was ist meine Kapazität in belastenden Situationen und wann ist sie zu Ende? Je klarer sich jemand darüber ist, desto klarer kann auch seine Unterstützung sein. Ist hier die Führungskraft verwirrt, dann tut sie dem Betreffenden nicht gut, aber auch sich selbst nicht. Wer dann seine Grenzen aus seiner eigenen Not und Hilflosigkeit heraus irgendwann abrupt und überraschend zieht, der verletzt Betroffene noch zusätzlich. Wenn eine Führungskraft aber ehrlich und offen ist, auch mit den eigenen Grenzen, dann ist sie eine Stütze für jemand in der Krise.«

Was erwartet die Teilnehmer in Ihrem Seminar „Führen im Krisenmodus“ und welchen konkreten und pragmatischen Nutzen nehmen sie mit?  
»Das Seminar ist für Teilnehmer gedacht, die ihre Führungsfähigkeiten in Krisen erweitern wollen. Ein schlaues Buch lesen – oder auch dieses Interview – reicht für die meisten nicht, um Situationen, die jemand persönlich als kritisch erlebt, völlig gewachsen zu sein. Es braucht oft mehr Wissen über seelische Abläufe, zusätzliche Anleitung und praktische Übung.
Die Teilnehmer lernen voneinander, ihre bisherigen Lösungsansätze werden geschätzt. Es geht konkret um die wirklich schwierigen Situationen von Krisen der Mitarbeiter. Und die Grenzen in einer guten Form zu ziehen, ist ebenfalls wichtiges Übungsthema. Wann und wie tue ich das? Wie verweise ich jemand weiter? Das Ziel des Seminars ist, dass der Einzelne mit mehr Selbstvertrauen in Krisen den richtigen Ton und die richtige Reaktion findet. Eine verbessertes, entspannteres Arbeitsklima ist eine natürliche Folge davon.«

Vielen Dank für das Gespräch!
Interview von Christina Kral-Voigt, Kundenberatung und Salesmanagement