Seit wann arbeitest du auf Schloss Lautrach und was hat dich bewogen,
dich als Trainerin und Beraterin zu bewerben?
Seit November 2018 bin ich als Organisationsberaterin und Trainerin auf Schloss Lautrach tätig. Ausschlaggebend war für mich die Möglichkeit, beide Professionen gleichermaßen auszuüben und den Kunden das »beste aus beiden Welten« bieten zu können. Ich bringe 15 Jahre Berufserfahrung aus der Automobilindustrie mit, davon zuletzt vier Jahre in der Organisationsentwicklung und ich hatte den Wunsch, mich im Beratungskontext intensiver mit den Herausforderungen mittelständischer, inhabergeführter Unternehmen auseinanderzusetzen.
Was sind deine thematischen Schwerpunkte?
Mein aktueller Fokus liegt auf dem Thema Change Management. Darüber hinaus be-schäftige ich mich in meinen Führungskräfteseminaren mit Selbst- und Menschenführung, Kommunikation sowie den Chancen und Herausforderungen, die eine zunehmende Digitalisierung an heutige Führungskulturen stellt.
Was begeistert dich an deiner Profession, was schätzen deine Teilnehmer | Kunden an dir?
Als Beraterin und Trainerin schätze ich die Abwechslung, die dieser Beruf mit sich bringt. Einerseits macht es mir Spaß, mich inhaltlich immer wieder mit neuen Themen, Beratungsanliegen und neuem Wissen auseinanderzusetzen. Andererseits ist es spannend, regelmäßig mit neuen Menschen zusammenzukommen, in deren (Erlebens-)Welten einzutauchen und auch selbst neue Impulse zu erhalten. Ich denke, es ist unter anderem dieses Interesse und die Neugier am Neuen, das für die Teilnehmer in meinen Seminaren spürbar wird.
Mir ist ein praxisnaher Austausch mit den Teilnehmern wichtig, ich sehe mich hier weniger als »Dozentin«, die ausschließlich Wissen vermittelt. Daher sind meine Teilnehmer aktiv gefordert, sich mit ihren Fragen und Anliegen in die Gruppe einzubringen. Neben den theoretischen Inhalten, die ich im Seminar vermittle, gebe ich auch Raum zum Austausch und zur Reflexion. Die Teilnehmer schätzen diese Möglichkeit sehr, da sie in ihrem regulären Führungsalltag kaum Zeit und Ruhe dafür finden.
In einem der letzten Seminare sagten mir einige Teilnehmer, dass sie sehr von meinen persönlichen Praxisbeispielen und meiner Führungserfahrung profitiert hätten. Über diese Rückmeldung habe ich mich besonders gefreut, denn das motiviert wiederum mich in meiner täglichen Arbeit.
Wann bezeichnest du ein Seminar oder einen Beratungsauftrag als gelungen?
Für mich ist ein Seminar dann erfolgreich, wenn die Teilnehmer zurückspiegeln, dass sie für sich persönlich einen Mehrwert mit nach Hause nehmen konnten. Das kann ein Denkanstoß zu ihrem Führungsverhalten oder ihrer inneren Haltung sein, möglicherweise auch ein Modell oder eine Methode, die sie in ihrem Führungsalltag als Orientierung bzw. handfestes Tool nutzen können. In einem Beratungsprojekt ist es mein Ziel, mich letztlich als Beraterin in dem betrachteten Kontext »überflüssig« zu machen.
Idealerweise hat das Unternehmen im Laufe des Projektes eigene Problemlösungsfähigkeiten entwickelt. Dank externer Impulse und Begleitung durch mich sowie des bereits intern vorhandenen Wissens, ist das Unternehmen am Ende eines Beratungsprojektes in der Lage, die geplanten Veränderungen aus eigener Kraft umzusetzen und nachhaltig voranzutreiben. Sollte sich zukünftig eine neue Fragestellung und Herausforderung ergeben, bin ich gerne wieder mit an Bord!
Unser Schwerpunktthema dieser Ausgabe lautet »Kooperation«. Was ist nach deiner Erfahrung das »Prinzip« einer guten Kooperation in Organisationen? Und wie sieht der homo cooperativus – der kooperationsfähige Mitarbeiter von heute aus?
Dazu möchte ich gerne einen Ausspruch von Henry Ford zitieren, welchen ich ab und zu in meinen Seminaren verwende. Ford sagt: »Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.« Darin steckt für mich die Quintessenz für Kooperation, denn in meinen Augen basiert jede Form der erfolgreichen Zusammenarbeit auf kooperativem Verhalten.
Für eine gelungene Kooperation sind ein gemeinsames Ziel sowie Rollenklarheit der Beteiligten als Rahmenbedingungen notwendig. Kooperation geht weg vom Erfolg des Einzelnen, hin zum Erfolg als Community oder Mannschaft. Die zunehmende Komplexität des Arbeitsalltags macht es für eine einzelne Person unmöglich, eine Situation oder ein Problem in all seinen Facetten zu erfassen und zu bearbeiten. Daher wird es zukünftig immer wichtiger sein, Menschen mit ihren Fähigkeiten so zusammenzubringen, dass sie gemeinsam einen Beitrag zur Problemlösung oder der Entstehung von etwas ganz Neuem leisten können.
Ein homo cooperativus, wie du ihn nennst, hat meiner Meinung nach die innere Haltung eines »Gemeinsam sind wir stärker/innovativer/produktiver/erfolgreicher« und den Willen, gemeinsam für das große Ganze zu arbeiten. Er sollte auch Spaß am Austausch mit anderen haben, neue bzw. andersartige Ideen wertschätzen und sich auch dessen bewusst sein, dass man schlussendlich nicht alles allein wissen und können kann. Insbesondere letzteres erfordert ein gewisses Maß an Demut.
Wann ist die Bereitschaft von Individuen für »echte« Kooperation groß und wodurch erfährt sie einen Schub?
Wenn es ein gemeinsames Ziel gibt, das für die kooperierenden Parteien attraktiv und erstrebenswert ist. Ein Ziel, dass den Beteiligten also so sinnvoll erscheint, dass sie ihre Energien zusammenschalten und ihre Fähigkeiten so miteinander verbinden, dass das Ziel erreicht werden kann und alle davon profitieren. Viele würden hier sicherlich die vielzitierte Fußballmannschaft erwähnen.
Kooperation erfordert darüber hinaus auch einen Austausch auf Augenhöhe, die Möglichkeit, Ideen und Lösungen kritisch zu diskutieren und selbstverantwortlich auszuprobieren. Wenn dieser Handlungsspielraum gegeben ist, eine gute Fehlerkultur gelebt wird und die Rahmenbedingungen einer verantwortungs- und vertrauensvollen Zusammenarbeit existieren, kann das sehr motivierend sein.
Organisationsstrukturen sind komplex, Mitarbeiter selbstbewusst. Sie möchten zunehmend eigenverantwortlich handeln und autonom arbeiten. Wie sieht die neue Form der Beziehungsarbeit von Führungskräften aus?
Zu dieser Frage passt ein Satz, den ich kürzlich im Buch »New Work« von Michael Hübler gelesen habe, sehr gut: »Die Erlaubnis und das Vertrauen in die Mitarbeiter, ihre Zeit sinnvoll nutzen zu wollen, sind Führungshaltungen, die Autonomie [und die Nutzung digitaler Entscheidungshilfen] erst ermöglichen.« Diesem Satz stimme ich aus tiefer Überzeugung zu und ein interessanter Aspekt, den ich in jenem Zusammenhang immer wieder – latent oder sehr offensichtlich – erlebe, ist der gefürchtete Macht- und Einflussverlust von Führungskräften, wenn sich Mitarbeiter mehr Selbstverantwortung wünschen. Den Führungskräften ist das grundsätzlich nicht zu verdenken, wurden sie doch über Jahrzehnte und Jahrhunderte in entsprechend hierarchischen Strukturen sozialisiert. Wichtig ist es aber gerade deshalb, sich als Führungskraft rechtzeitig mit diesen Bedenken und Ängsten auseinanderzusetzen und für sich zu klären, was es tatsächlich bedeutet, wenn ich z. B. zukünftig nicht mehr (allein) entscheiden kann, wie ein Projekt bearbeitet oder eine Aufgabe gelöst wird. Manchmal sind die Bilder im Kopf furchteinflößender als die Tatsache an sich.
Um dem zunehmenden Wunsch nach Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter gerecht zu werden, sollten Führungskräfte das persönliche Gespräch mit ihren Mitarbeitern suchen. Dadurch können sie deren Ideen, Wünsche, Erwartungen kennenlernen und gemeinsam mit ihnen klären, welches Maß an Eigenverantwortung von ihnen gewünscht ist, was aus Sicht des Unternehmens möglich ist und was ggf. auch nicht.
Selbstverständlich bleiben die klassischen Führungsaufgaben des Planens, Ziel-Setzens, Orientierung-Gebens und Controllings im Sinne von Steuern weiterhin Kernaufgaben von Führung. In Zeiten von steigender Komplexität wird es jedoch immer wichtiger, mit Paradoxien einer VUCA-Welt umgehen zu lernen sowie auch den Umgang mit Unsicherheit und Ambiguität zu üben. Zur Förderung der Autonomie der Mitarbeiter ist es ebenfalls hilfreich, eine lernfreudige Fehlerkultur zu etablieren und den transparenten Wissensaustausch zwischen Mitarbeitern, Teams, Abteilungen etc. zu fördern.
Es ist wichtig, den Mitarbeitern Raum zum Experimentieren zu geben, sie ihre eigenen Ideen verfolgen zu lassen und sich mit Kollegen*innen dazu austauschen zu können. Auch hier ist ein interessiertes Gespräch sehr hilfreich im Sinne von »Wie kann ich dich unterstützen, damit du die Aufgabe gut erledigen zu kannst? Wie würdest du vorgehen? Warum ist das wichtig für Dich?« Die Führungskraft als Unterstützer und Begleiter, weniger als Antreiber und Patriarch, das ist mein Bild von moderner, zukunftsfähiger Führung.
Und, was man als Führungskraft auch bedenken sollte: Es mag sich einerseits anstrengender anfühlen, eigenverantwortliche und autonom handelnde Mitarbeiter zu führen. Andererseits ist es eine große Entlastung, seine motivierten und engagierten Profis im Team zu haben und nicht selbst immer alles wissen zu müssen und in allen Aspekten des Führungsalltags Experte zu sein. Nicht zuletzt ist ja vorausschauende Personalent-wicklung eine weitere wichtige Aufgabe von Führung.
Vielen Dank für das Gespräch, Cornelia Michel.
Das Interview führte Christina Kral-Voigt, Kundenberatung | Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.